Unser neues Vorbild an Energieeffizienz

Mehr als 30 Jahre hatte der Tierpark auf diesen Tag hingearbeitet. So lange schon standen wir auf der Warteliste für ein Zweifingerfaultier. Da die Tiere in Europa nur über das Europäische Erhaltungszuchtprogramm vergeben werden und die eher geringe Anzahl an Nachkommen einer großen Nachfrage aus den Zoos gegenüberstand, gab es für diese Art eine ganz erhebliche Warteliste.

Kurz vor den Sommerferien 2024 änderte sich das, als die Leiterin des Zuchtbuches sich bei uns meldete mit der Frage, ob wir relativ kurzfristig in der Lage wären, ein Tier bei uns aufzunehmen: Für das derzeit in Berlin lebende, etwa 15 Jahre alte Weibchen "Fidelma" wurde ein neuer Wohnort gesucht, da sie nach mehreren Jahren ohne erfolgreiche Nachzucht anscheinend nicht als Zuchtttier geeignet war, das Berliner Männchen aber gerne weiterhin zur erfolgreichen Zucht der Art beitragen sollte. Da Faultiere von Natur aus Einzelgänger sind, ist die Haltung eines einzelnen Tieres grundsätzlich kein Problem und so sagten wir natürlich erfreut zu.

Die nächsten Monate musste nun erst einmal das für Fidelma ins Auge gefasste Gehege faultiergerecht hergerichtet werden. Dies umfasste eine umfangreiche Ausstattung mit stabilen Kletter- und Ruhemöglichkeiten im oberen Gehegebereich in Form von Ästen, Bambusstangen, Körben und Kisten, aber auch die Gewährleistung eines geschützten Abstiegsbereiches auf den Boden, den sie aufsuchen konnte, ohne von den Mitbewohnern im Gehege, den Sechsbinden-Gürteltieren oder Rotbauchtamarinen, gestört zu werden. Während Faultiere nämlich den Großteil ihres Lebens in den Baumkronen verbringen, müssen sie etwa einmal in der Woche auf den Boden herunterkommen, um dort ihr Geschäft zu erledigen.

Im Herbst war das Gehege bezugsbereit und der Transport konnte konkret geplant werden. Es dauerte dann doch noch bis Anfang November, bis es soweit war, aber am 05.11.24 zog Fidelma tatsächlich nach Gettorf um.

Schon innerhalb der ersten Tage zeigte sich, dass Fidelma bei uns - wie auch schon in ihrem letzten Wohnort in Berlin - eher eine Nachtschwärmerin als eine Tageslichtliebhaberin ist. Selbst das Essen erledigt sie am liebsten im Schutz der Dunkelheit, wie erste Überwachungen mit einer Wildkamera rasch ergaben. Den Tag verbringt sie meist in ihrer Lieblingskiste im oberen rechten Bereich des Geheges.

Damit unsere Besucher trotzdem einen Eindruck von Fidelmas Leben haben, läuft auf einem Bildschirm neben ihrem Gehege ein Film mit Aktivitäten, die wir von Fidelma bisher auf Film einfangen konnten. Dort kann man also jederzeit ganz unabhängig Aktivitäts- oder Ruhezeiten einen Eindruck von Fidelmas Tagesablauf im Tierpark Gettorf erhalten.

Fidelmas langsame und bedächtige Lebensweise und ihre langen Ruhezeiten sind übrigens keinesfalls ein Zeichen von Faulheit, wie der Name der Tiere nahelegt. Vielmehr ist es eine Notwendigkeit und Folge der Anpassung an eine ausgesprochen energiearme Nahrung. Faultiere fressen fast nur Blätter oder andere energiearme Pflanzenteile, aus denen sie trotz eines spezialisierten Gärmagens nur eine geringe Energiemenge herausholen können. Daher müssen sie mit ihren Energiereserven sehr sparsam umgehen und schnelles Klettern oder gar Schwingen oder Springen ist in ihrem Leben nicht vorgesehen.

Nicht einmal, wenn sie vor Fressfeinden fliehen müssen, können Faultiere schneller als etwa 2,4 km/h klettern. Meist haben sie das aber auch gar nicht nötig, denn gerade die langsame Fortbewegung schützt sie normalerweise schon recht effektiv vor Räubern, die eher auf rasche Bewegungen ihrer Beute in den Bäumen achten. Und wenn ihnen doch einmal jemand zu nahe kommt, können Faultiere mit den krallenbewehrten Händen durchaus kraftvoll nach dem Angreifer schlagen oder auch sehr schmerzhaft zubeißen. Langsam heißt in ihrem Fall nämlich bei weitem nicht wehrlos...

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